WAN-IFRA: Wie ist das Projekt entstanden?
RONALD WEIDEL: Im Zuge der weiteren Intensivierung der Forschung an der HTWK Leipzig werden in der Profilinie Software und Medien insbesondere Projekte zum Schwerpunkt Workflowtechnologien bearbeitet. Seit mehreren Jahren gibt es intensive Kontakte zwischen der HTWK Leipzig und der IFRA, in deren Rahmen verschiedene kleinere Projekte zum Thema Zeitungsworkflow abgewickelt wurden. Auf Basis dieser Kooperation wurde die Idee entwickelt, an der HTWK Leipzig ein Kompetenzzentrum für den Zeitungsdruck aufzubauen, um als Dienstleister für Bildung und Forschung für die Zeitungsindustrie tätig zu werden. Da war WAN-IFRA der Partner der Wahl, ganz einfach, weil die Anbindung an einen Fachverband eine gute Konstellation für ein solches Vorhaben darstellt. Zunächst wurde ein Projektentwurf ausgearbeitet, wie so etwas aussehen könnte. Dieser Entwurf wurde bei WAN-IFRA vorgestellt und im letzten Jahr wurden auch finanzielle Mittel aus dem Hochschulhaushalt dafür bereitgestellt. Das Thema „Nachhaltigkeit in der Zeitungsproduktion“ wird aktuell in den Komitees der WAN-IFRA diskutiert und somit kam der konkrete Arbeitsauftrag für dieses erste Projekt von der Business Unit Newspaper Production der WAN-IFRA.
WAN-IFRA: Was ist die primäre Zielsetzung dieses Projekts?
R. WEIDEL: Die primäre Zielsetzung besteht zunächst einmal darin, das Thema Carbon Footprint näher zu beleuchten und aufzubereiten: Was für aktuelle Projekte gibt es? Welche Studien liegen vor? Wie ist der Stand der Wissenschaft? Welche Möglichkeiten stehen in Bezug auf Modellierung und Methoden zur Verfügung? Wir suchen die intensive Auseinandersetzung mit der Materie, indem wir die zur Verfügung stehenden Werkzeuge und Methoden auf ihre Praxistauglichkeit hin untersuchen. Dazu fertigen wir konkrete Fallstudien von realen Zeitungshäusern an. Untersucht wird im Prinzip, ob sich die zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden für die CO2-Bilanzierung für den Praktiker schon eignen und welche Aussagen mit den erhaltenen Werten verknüpft werden können.
Ein weiteres Ziel ist, aus diesen Erfahrungen eine Art Leitfaden zu erstellen, der den Zeitungen, die ihren Carbon Footprint erstellen wollen, Hinweise gibt, was dabei zu beachten ist, welche Werkzeuge zur Verfügung stehen und wie diese einzusetzen sind. Es geht uns auch darum, das Thema zu entmystifizieren und konkrete Erfahrungen zu sammeln.
WAN-IFRA: Was genau bekommen die Zeitungen da an die Hand?
R. WEIDEL: Aktuell in der Diskussion ist ein Rahmenwerk der British Standard Institution (BSI), der sogenannte PAS 2050, der im Herbst 2008 vorgestellt wurde. Dabei handelt es sich um einen branchenübergreifenden Leitfaden, der momentan von Institutionen in verschiedenen Branchen getestet wird. Diesen Standard, der über die BSI frei zugänglich ist, haben wir als Grundlage genommen, um ihn für den Zeitungssektor zu testen. Wir wollen mit unserem Projekt untersuchen, wie sich dieses Modell auf die Zeitung anwenden lässt. Gibt es da irgendwo Knackpunkte? Was ist zu beachten? Allerdings ist dieser Leitfaden eher allgemein gehalten und gilt für Produkte genauso wie für Dienstleistungen. Wir brauchen aber eine spezifischere Anwendung, abgestimmt auf die Bedingungen der Zeitungsbranche. Es geht uns nicht darum – das möchte ich an dieser Stelle betonen –, einen neuen Standard zu schaffen oder eine neue Methode zu entwerfen. Wir wollen die vorhandenen Werkzeuge einsetzen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die andere schon erarbeitet haben, auf die Praxis übertragen.