"Vor nunmehr fast zehn Jahren wurde der Journalist und Dramatiker Dawit Isaak in Eritrea verhaftet. Seither ist er, abgesehen von einer kurzen Zeitspanne in Freiheit im Jahr 2005, eingekerkert – in Elendslöchern, die als Gefängnisse deklariert werden und wovon es in Eritrea über 300 geben soll. Die Behandlung der Gefangenen ist brutal. Nicht selten wird gefoltert. Manche Häftlinge sind in Katakomben eingesperrt, andere in unbelüfteten Frachtcontainern, in denen Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius herrschen. Sie sind buchstäblich angekettet, 23 Stunden pro Tag, dürfen keine Besuche erhalten und nicht einmal untereinander Kontakt haben. Selbst das Wachpersonal darf nicht mit ihnen sprechen. Eine Reihe von Gefängnissen sind kaum mehr als Todeslager, aus denen die Menschen, die dorthin verschleppt werden, nie mehr zurückkehren. Auf sie wartet der Tod, um verscharrt und vergessen zu werden.
"Eines dieser Lager ist Eira Eiro, nördlich von Asmara. Dort wird nach neuesten Informationen der Gefangene Nr. 36 festgehalten: Dawit Isaak. Er gehört zu einer Gruppe von ursprünglich über dreißig Häftlingen. Fünfzehn haben den Tod gefunden. Es gibt allen Grund, um Dawit Isaaks Leben zu bangen, vor allem, weil er an Diabetes leidet.
"Welches Verbrechen hat er 2001 begangen? Damals arbeitete Isaak als Journalist für die größte Zeitung Eritreas und berichtete über die Reformforderungen einer Gruppe, die der politischen Führung des Landes angehörte. Das war Grund genug. Es hat nie ein Gerichtsverfahren gegeben. Ein Urteil wurde nie gesprochen.
"Wir stehen gewissermaßen vor einer doppelten Tragödie.
"Denn dies geschieht im jungen Staat Eritrea, gegründet nach mehr als dreißig Jahren Unabhängigkeitskrieg, der schließlich 1993 in einem Referendum mündete. Eritrea genoss als Nation lange Zeit das Wohlwollen des Westens. Nicht zuletzt wurde in dem Umstand, dass die Gründung der Nation das Ergebnis eines Referendums war, zunächst ein Vorbote einer vielversprechenden Entwicklung hin zu einer offenen Gesellschaft gesehen. Von dem Wohlwollen ist nicht viel übrig geblieben. Eritrea wird jetzt in erster Linie mit der Inhaftierung von Intellektuellen und Dissidenten in Verbindung gebracht. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie die Führung Eritreas ihren Vertrauensvorschuss so rasch verspielen und das Land von der übrigen Welt isolieren konnte – ein Land, das einer raschen Entwicklung bedurfte und auch das Potenzial dafür besaß. Dabei war ein völlig anderes Szenario durchaus möglich und ist es auch weiterhin.
"Das Prinzip der Meinungsfreiheit existiert seit Jahrhunderten. Es basiert auf dem Gedanken, dass jeder Mensch aufgrund seines angeborenen Wissens ein Recht hat, nicht nur über sein Leben, sondern darüber zu entscheiden, wie das Land, in dem er lebt, organisiert sein soll. Zudem gründet es sich auf eine einfache, aber erst allmählich reifende Erkenntnis: Nicht Zweifel, Hinterfragen und Dissens schwächen eine Nation, sondern vielmehr deren Fehlen. (Das führt uns der demokratische Frühling in der arabischen Welt abermals deutlich vor Augen.) Zensur setzt gewissermaßen ein Korrosionsmittel frei, welches das System, zu dessen Schutz es gedacht ist, zerfrisst. Früher oder später werden alle Diktaturen fallen. Alle.
"So wie wir uns über die Atemluft keine Gedanken machen, solange sie da ist, lässt sich Meinungsfreiheit leicht als Selbstverständlichkeit betrachten, wenn man nie das Gegenteil erfährt oder wie Dawit Isaak einen Preis dafür zahlen muss. Meinungsfreiheit ist unteilbar, in dem Sinne, dass ein Einzelner nicht Anspruch auf etwas erheben kann, was er anderen nicht zugesteht: die Freiheit, seine Meinung zu äußern, oder, im weiteren Sinne, Freiheit an sich. Das Prinzip wird immer an Einzelfällen auf die Probe gestellt. Freiheit für Dawit Isaak."
Quelle: Peter Englund und WAN-IFRA
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