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Scoopshot – ein Interview mit CEO Niko Ruokosuo

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Scoopshot – ein Interview mit CEO Niko Ruokosuo

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Weltweit praktizieren Zeitungen zunehmend das Crowdsourcing und binden so ihre Leser mehr ein denn je zuvor.

Natürlich geht es beim Crowdsourcing hauptsächlich um Bilder. Seit Jahren fordern Verlage ihre Leser im Rahmen von verschiedenen Kampagnen auf, Fotos einzusenden, doch seit Kurzem setzen sie hierfür spezielle neue Crowdsourcing-Lösungen ein, die Medienunternehmen den direkten Kontakt zu ihren Lesern tatsächlich erleichtern.

Eine dieser Lösungen, die sich als führend zu etablieren scheint, ist Scoopshot von P2S Media Group in Finnland. Im vergangenen Herbst zog das Unternehmen viel Aufmerksamkeit auf sich, als es mit dem Herausgeber der Metro-Titel in aller Welt, Metro International, und seinen 17 Millionen Lesern eine Partnerschaft einging.

Seit der Einführung von Scoopshot im November verzeichnet Metro 65.000 Scoopshooter in 135 Ländern, rund 170.000 mit der App aufgenommene Fotos und 46 Medienpartner in sieben Ländern.

Zudem hat P2S inzwischen mit zahlreichen anderen Verlagen Verträge geschlossen, darunter vor Kurzem mit Het Laatste Nieuws in Belgien. Das Unternehmen brachte darüber hinaus im Februar Scoopshot Race, ein Tool für Mobile-Marketing, auf den Markt, und bietet seine Lösung seit Kurzem auch für Videos an.

Wir führten in den vergangenen Monaten mit Niko Ruokosuo, dem CEO von P2S Media Group, eine E-Mail-Konversation über die Entwicklung seines Unternehmens, seiner Lösung sowie über seinen Weg hin zum Crowdsourcing.

WAN-IFRA: Wie ist Scoopshot entstanden?

Niko Ruokosuo: Der Erfinder von Scoopshot war Petri Rahja. Petri verfügt über Erfahrung in den Bereichen IT, Copyright und Mobile-Technologien und hat bereits bei einigen Startup-Unternehmen gearbeitet. Er sprach mit zwei IT-Spezialisten über seine Idee, und so arbeiteten die drei einige Monate lang hinter verschlossenen Türen an der Entwicklung der ersten Apps. Das reichte schon, um einige Investoren anzulocken und die Entwicklung und das endgültige Konzeptdesign zu beschleunigen, sodass das Produkt in Finnland bereits nach neun Monaten, im Februar 2011, auf den Markt gebracht werden konnte. Mit dem Vertragsabschluss mit Metro in Schweden und Dänemark im November 2011 und in den Niederlanden im Januar 2012 stiegen wir ins internationale Geschäft ein. Derzeit verhandeln wir mit mehreren großen Verlagsunternehmen weltweit.

Keiner der Scoopshot-Gründer kommt aus dem Medienbereich, und doch ist die App die Antwort auf einige der größten Herausforderungen der Verlage im Bereich Medien und Inhalte. Ein typisches Beispiel dafür, wie nötig ein unabhängiger Blick von außen und eine Vision für praktisch jede Branche ist.

 

WAN-IFRA: Wie ich hörte, lebten Sie zuvor in Saudi-Arabien ... Was haben Sie dort getan, und wie kamen Sie dann zu Scoopshot?

N. Ruokosuo: Ja, ich habe zwei Jahre lang als COO für das größte Verlagsunternehmen im Nahen Osten, die Saudi Research and Marketing Group, gearbeitet. Nach Beendigung meines Zweijahres-Vertrags blieb ich beinahe ein weiteres Jahr in dieser Region und war in digitalen Projekten tätig, da die digitalen Medien sich dort rasant entwickeln. Diese drei Jahre waren insbesondere im Hinblick auf das kulturelle Erlebnis eine wunderbare und sehr lehrreiche Zeit. Während der Endphase meines digitalen Projekts unterbreiteten mir die Gründer von Scoopshot das Angebot, im Bereich internationale Strategie für sie zu arbeiten. Das Crowdsourcing-Konzept hat mich sofort begeistert, und die Zusammenarbeit führte bald zu der einvernehmlichen Entscheidung, mich zu deren CEO zu ernennen. Zuvor erfüllte ich mir jedoch meinen Traum, mit meiner Familie aus dem Nahen Osten mit dem Auto zurück nach Finnland zu fahren. Zwar mussten wir die Reise aufgrund der Unruhen in Syrien verkürzen, doch es war ein tolles Erlebnis und eine sprichwörtliche Überfahrt aus Arabien nach Skandinavien.

 

WAN-IFRA: Worin liegen für einen Verlag wie Metro die Vorteile von Scoopshot, insbesondere im Hinblick auf den finanziellen Aspekt, die Qualität, Lesereinbindung, etc.?

N. Ruokosuo: Der Nutzen aus der Verwendung der Crowdsourcing-Lösung Scoopshot lässt sich in drei Hauptkategorien unterteilen: die kontinuierliche Versorgung mit Inhalten, die Exklusivität lokaler und hyperlokaler Inhalte sowie die niedrigeren Kosten.

Alle Medienunternehmen müssen sich heutzutage mit den häufigen Aktualisierungen auf den digitalen Kanälen auseinandersetzen und sich mit exklusiven und relevanten Inhalten von den übrigen Online-Anbietern abheben. Dies mit niedrigeren Kosten zu erreichen, ist eine sehr schwierige Angelegenheit. Scoopshot gibt auf all diese Fragen gleichzeitig eine Antwort. Die App vernetzt Medienunternehmen mit Hunderttausenden von Handyfotografen im In- und Ausland. Diese „Scoopshooter“ reichen nachrichtenrelevante Fotos zur Durchsicht und zum Kauf ein. Copyright-Fragen, Bezahlung, Bildauthentizität sowie Übertragungswege werden vom System überprüft bzw. gewährleistet. Zudem können Medien den Scoopshootern im In- und Ausland spezielle lokale Fotoaufträge (Tasks) zusenden, wie zum Beispiel: „Senden Sie uns Fotos von der Überschwemmung in Bangkok. Bezahlung: USD 20“ oder „Senden Sie uns Fotos vom Musikfestival in Wien“ – also im Grunde alles, was für das Medienunternehmen von Relevanz ist.

Das Unternehmen kann diese Tasks jedoch auch an einen Pool von selbstständigen Fotografen senden. Auch in diesem Fall erfolgt die Lokalisierung, Beauftragung und Bezahlung der Fotografen über das System, jedoch werden hierbei Spiegelreflexkameras und das Web als Plattform eingesetzt.

Das Ergebnis ist ein Pool aus engagierten, aktiven und zufriedenen Lesern und „Mitarbeitern“. Die Nutzer berichten auf Facebook über ihre Scoopshot-Aktivitäten und die Zusammenarbeit mit den Medienunternehmen – und so verbreiten sich die Infos. Wir verlagern auf diese Weise den Traffic von den Social Media auf die Seiten der Nachrichtenanbieter, auf denen die Fotos der Leser veröffentlicht werden.

Es gelingt selten, Masse, Exklusivität, niedrige Kosten und Nutzer-Einbindung unter einen Hut zu bekommen, aber das ist es genau, was Scoopshot kann.

 

WAN-IFRA: Wie überzeugen Sie Verlage von Scoopshot, wenn diese bereits mit Agenturen wie AP, AFP etc. zusammenarbeiten?

N. Ruokosuo: Mit drei Argumenten: Exklusivität, Kosten und lokale Relevanz. Die Agenturfotos stehen sämtlichen Medien zur Verfügung und zeigen in der Regel geplante größere Nachrichtenevents. Bei nicht geplanten Ereignissen berichten sie meist erst im Nachhinein. Mit Scoopshot erhalten Medien topaktuelles Filmmaterial direkt vom Ort des Geschehens, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein oder mehrere Scoopshooter vor Ort sind, ist hoch. Und wenn Sie ein Verlag in einer Stadt mit 50.000 Einwohnern sind, werden dort keine Agenturfotografen sein, aber möglicherweise mehrere tausend Scoopshooter, die über Straßenschäden, Stadtratssitzungen oder über einen auf den Gehweg gestürzten Baum berichten können. Ich denke, es liegt auf der Hand, dass wir die Nachrichtenagenturen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Meine Lieblingsgeschichte ist die, als einige Tage nach der Einführung von Scoopshot in Stockholm eine Taube auf einer U-Bahn mitfuhr. Ein Leser sah die Taube, fotografierte sie mit Scoopshot und reichte das Bild ein. Die Zeitung Metro in Schweden kaufte und veröffentlichte das Foto, und innerhalb von Stunden war das die meistgelesene und meistkommentierte Story auf deren Website. Warum? Weil sie lokal war, ausschließlich bei ihnen erschien und weil sie überraschte – und das ist es, was die Leser wollen.

 

WAN-IFRA: Was legt der Vertrag mit Metro genau fest? Was muss der Verlag tun? Beinhaltet er den Kauf einer Software bzw. einer Dienstleistung?

N. Ruokosuo: Metro hat Scoopshot zunächst in Schweden und Dänemark getestet. Über Nachrichtenartikel und Werbung ließen sie ihre Leser wissen, dass sie sie von nun an aktiv einbinden, ihre Fotos kaufen und in der Zeitung veröffentlichen wollen. Sie kündigten außerdem an, dass sie Fotoaufträge zu bestimmten Nachrichteninhalten an ihre Leser aussenden würden, und forderten sie auf, die Scoopshot-App herunterzuladen. Innerhalb von einer Woche nach der Einführung verzeichneten sie bereits mehr als 9000 Scoopshooter in Schweden und 5000 in Dänemark. Als die Leser an Halloween, zwei Tage nach der Einführung, die Aufforderung erhielten, Fotos von ihren Halloween-Partys einzusenden, erhielt Metro über 900 Fotos, von denen 11 veröffentlicht wurden. Innerhalb der ersten vier Tage wurden allein in Schweden mehr als 2000 Nachrichtenfotos eingereicht.

Nach Angaben des Metro-Verlags war die Redaktion geradezu “elektrisiert” von dem Zugang zu gänzlich neuen Inhalten und der Möglichkeit, durch das Aussenden von Tasks kurzfristig Fotos aller Art zu erhalten. Kurz danach entschied Metro, Scoopshot in allen seinen Märkten einzusetzen, d.h. in mindestens 16 Ländern und für mehr als 200.000 Nutzer.

Es muss keine Software gekauft werden, und es fallen bei der Einführung des Systems für Metro bzw. andere Verlage keinerlei Gebühren oder sonstige Investitionen an. Jedes Medienunternehmen kann sich unter www.scoopshot.com kostenlos anmelden und mit der Durchsicht der Fotos beginnen. Natürlich ist es empfehlenswert, dass Medienunternehmen, die lokale Inhalte erhalten möchten, ihre Leser und Nutzer über die Einführung von Scoopshot und die Vorgehensweise informieren. Dazu eignen sich am besten redaktionelle Artikel, so wie es Metro getan hat, aber auch (Füller-)Anzeigen der Verlage.

Scoopshot selbst finanziert sich über eine Provision auf gekaufte Fotos. So kann die App Scoopshootern kostenlos zur Verfügung gestellt werden, und auch der Zugriff der Medienunternehmen auf die Fotos ist gratis.

 

WAN-IFRA: Wie kommt der Verlag an die Fotos?

N. Ruokosuo: Das Medienunternehmen erhält einen bedienerfreundlichen Zugriff auf einen browsergestützten Online-Shop, in dem die Fotos nach Ort (z.B. Fotos aus einem Umkreis von 30 km rund um Berlin), Stichwort (z.B. Sport- oder Unfallbilder aus London) oder freier Texteingabe gesucht und betrachtet werden können. Das System ermittelt mittels GPS die genauen Standortdaten, die Scoopshooter wählen die Kategorien aus (IPTC) und geben eine Bildunterschrift ein. Die übrigen Informationen wie die Daten des Absenders und Kontaktdaten, Bildquelle sowie andere nützliche Informationen werden ebenfalls vom System generiert.

Die ausgewählten Bilder können mit drei Mausklicks entweder mit einer Einzellizenz oder mit exklusiven Rechten erworben werden. Die Zahlung an die Scoopshooter erfolgt unmittelbar.

 

WAN-IFRA: Wie würden Sie das Ganze nennen? Eine Ergänzung zur Bildabteilung eines Verlags?

N. Ruokosuo: Derzeit sehe ich das als Ergänzung zu Print und vor allem zum Online-Angebot. In der nahen Zukunft eröffnet uns Scoopshot jedoch ganz neue Content-Möglichkeiten und wird die Art und Weise, wie Medienunternehmen ihre Inhalte zusammentragen, verändern. So könnte beispielsweise auch ein kleines Medienunternehmen, das über örtliche Probleme mit Graffitis berichten will, Graffiti-Bilder aus dem ganzen Land oder sogar der ganzen Welt in Auftrag geben und das Thema online mit Hunderten von Graffiti-Fotos aus einem ganz neuen Blickwinkel beleuchten. Um für den Reiseteil einen Artikel über ein Strand-Resort zu verfassen, könnte ein Medienunternehmen beispielsweise auf aktuelle Fotos von der Lokalität zurückgreifen, die von Einheimischen oder Urlaubern aufgenommen wurden und jeweils ganz individuelle Lieblingsrestaurants und -strände zeigen. Mit Hunderttausenden von Scoopshootern kann jede Nische umgehend abgedeckt werden.

 

WAN-IFRA: Ist das vor allem für ganz normale Handy-Nutzer oder eher für freiberufliche Fotografen gedacht?

N. Ruokosuo: Scoopshot richtet sich an vier verschiedene Arten von Nutzergruppen: Scoopshooter, Mitglieder der Community, professionelle und Amateur-Fotografen. Tragende Basis sind die Tausenden von Scoopshootern vor Ort und weltweit, die ihre Handyfotos einsenden. Das sind Menschen wie du und ich, und von ihnen machen schon extrem viele mit. Aus diesen Handy-Scoopshootern können Medienunternehmen mit einem einfachen Online-Widget, das wir entwickelt haben, eine eigene Community von „Content-Lieferanten“ aufbauen. Mitglieder dieser Community sind die begeisterten Anhänger eines Mediums, die aktiv mitmachen wollen und regelmäßig nachrichtenrelevante Inhalte einsenden. Über das System kann das Medienunternehmen auf sehr einfache Weise Tasks, Mitteilungen und Zahlungen an die Community weiterleiten.

Sollten professionelle Qualitätsfotos gebraucht werden, kann das Medienunternehmen auf Scoopshot Pro zurückgreifen, eine von uns aufgebaute Datenbank, in der freiberufliche Fotografen aufgeführt sind, die Fotoaufträge von Medienunternehmen annehmen. All diese Fotografen weisen eine entsprechende Qualifikation auf und können ähnlich wie die Handyfotografen mit dem Aufnehmen bestimmter Bilder beauftragt werden. Mit Scoopshot Pro erfolgt die Kommunikation über das Internet, und es werden Spiegelreflexkameras verwendet. Es hat sich ergeben, möglicherweise durch Zufall, dass nun auch die freiberuflichen Fotografen in zwei Gruppen unterteilt werden, und zwar die tatsächlich professionellen Fotografen und Amateure bzw. Fotoliebhaber, wie wir sie gerne nennen. Möglicherweise gibt es im schottischen St. Andrews oder im spanischen Cádiz keine professionellen Fotografen, jedoch Fotoliebhaber, die über ein umfangreiches Portfolio an Arbeiten und Kompetenzen verfügen und sehr gutes Fotomaterial beispielsweise über ein lokales Golfturnier oder eine Kunstausstellung liefern können.

 

WAN-IFRA: Gibt es technische Hürden, die bei all den verschiedenen Telefonen, IPTC-Angaben, Auflösungen etc. zu überwinden sind?

N. Ruokosuo: Die Scoopshot-App ist sowohl für iPhones als auch für Android verfügbar. Wie alle Entwickler von Apps leiden wir ein wenig unter den verschiedenartigen Hardware- und Softwareversionen bei Androidgeräten. Das macht zusätzliche Arbeit und verzögert die Einführung neuer Android-Versionen. Die IPTC-Kategorien werden in die Nutzeroberfläche integriert und müssen bei der Bildaufnahme und für den Sendeprozess ausgewählt werden. Bislang haben die Nutzer die Kategorien ziemlich gut ausgewählt. Sie scheinen verstanden zu haben, dass sie damit mehr Chancen haben, ihr Foto zu verkaufen. In Bezug auf die Auflösung lässt sich Folgendes sagen: Bei Fotos, die über MMS verschickt werden, wird die Auflösung drastisch reduziert. Bei Scoopshot wird die Originaldatei versandt, deren Größe je nach Handy zwischen 3 MB und 8 MB (beim iPhone 4S) liegt. Das reicht auch für große Abbildungen in Print aus.

 

WAN-IFRA: Was ist Scoopshot Race?

N. Ruokosuo: Dabei handelt es sich um ein gänzlich neues Mobile-Marketing-Tool, bei dem ebenfalls Foto-Aufträge erteilt werden, allerdings auf einer völlig anderen Ebene. Mit Scoopshot Race kann ein Medienunternehmen die Crowd auch auf seine Werbekunden ausweiten und markenbezogene Marketing-Tasks versenden, wie „Fotografieren Sie einen Coca-Cola-Moment. Bezahlung: USD 1000“ oder „Machen Sie ein Foto vom neuen Alfa Romeo Giulietta – und Sie dürfen den Wagen einen Monat lang fahren“. Die Bezahlung, die Webseite zur Kampagne und das Fotomanagement sind in den Race-Prozess integriert.

 

WAN-IFRA: Wer sind Ihre Konkurrenten?

N. Ruokosuo: Unsere Konkurrenten sind diejenigen, die „altmodisch denken“, und dennoch Entscheidungsmacht haben.

Autor

Dean Roper's picture

Dean Roper

Datum

2012-07-24 11:34

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