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Druckzentrum Aschendorff – Wachstum in Westfalen

Druckzentrum Aschendorff – Wachstum in Westfalen

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20625

Ein Ausflug im Sommer 2016 führte ins westfälische Münster, eine Stadt sowohl von historischer als auch aktueller wirtschaftlicher und politischer Bedeutung.

Thilo Grickschat vertritt Wachstumsstrategie, 
Foto: Silvia Werfel

In Münster wurde der 30-jährige Krieg beendet, der Mitteleuropa verwüstet hatte und dem fast die Hälfte der Bevölkerung zum Opfer fiel. Ein Krieg, der von den Mächten der Zeit unter religiösen Flaggen und auch mit Hilfe der damals neuen Medien geführt wurde. Denn der Buchdruck hatte alles verändert.

Die ungemein polemischen Flugblätter erscheinen zumeist anonym. Seit der Kaiser im Krieg mit den protestantischen Fürsten lag, gab es ausreichend Missstände, die sich anprangern ließen. Allein über die Geldfälscher, die sich seit 1620 bereicherten, wurden in wenigen Jahren rund 100 Flugschriften mit einer Gesamtauflage von 125.000 Exemplaren unters Volk gebracht. Als der Krieg 1648 zu Ende ging, gab es im Reichsgebiet schon ca. 50 Zeitungen.

Das Medienunternehmen 

Heute ist Münster ein wichtiger Medienort. Die Unternehmensgruppe Aschendorff zählt zu den 20 größten Verlagen in Deutschland. Sie ging aus dem fast 300 Jahre alten Familienunternehmen Aschendorff Verlag hervor. Hauptprodukte der Unternehmensgruppe sind die Tageszeitungen der Zeitungsgruppe Münster (Westfälische Nachrichten, Ahlener Zeitung, Tageblatt für den Kreis Steinfurt, Münstersche Zeitung/Grevener Zeitung), Gratiszeitungen, digitale Medien und Zeitschriften. Aschendorff ist mittlerweile in der neunten Generation inhabergeführt.

Bei meinem Besuch im August 2016 konnte ich mit dem Geschäftsführer Thilo Grickschat, dem Technischen Leiter Thomas Wenge und Detlef Wiedenhöft, zuständig für Produktionskoordination, sprechen. Während mancherorts in der Industrie über sinkende Auflagen und fehlende Aufträge gejammert wird, herrschte in dieser Runde die pure Aufbruchstimmung. 

Thomas Wenge, Detlef Wiedenhöft, Manfred Werfel (von links nach rechts), Foto: Silvia WerfelThomas Wenge, Detlef Wiedenhöft, Manfred Werfel (von links nach rechts), Foto: Silvia Werfel



Der Produktionsbetrieb des Medienunternehmens hat sich in den letzten Jahren zum dominanten Druckzentrum entwickelt, das auch schon mal über die Region aktiv wird. Das Konzept heißt: Wir wollen auch in einem sich konsolidierenden Markt zu den Gewinnern gehören. Dazu passt, dass die Anzahl eingesteckter Werbebeilagen stark wächst und sich allein im letzten Jahr um 30% erhöht hat.

Das Druckzentrum produziert 28 verschiedene Zeitungstitel pro Nacht mit einer täglichen Gesamtauflage von ca. 250.000. Pro Jahr werden rund eine Million Druckplatten hergestellt. Die durchschnittliche Auflage pro Druckdurchgang beträgt 8.500 Exemplare. Gedruckt wird an sieben Tagen in der Woche, nachts und an den Werktagen arbeitet man im Dreischichtbetrieb.

Neue Druckmaschine

Dass für eine solch komplexe Struktur entsprechend flexible und automatisierte Maschinen benötigt werden, ist leicht einsichtig.

Deshalb wurde 2016 der Maschinenpark mit durch eine neue Druckmaschine erweitert. Die hoch automatisierte und flexible 32-Seiten-Maschine kann aufgrund der kürzeren Rüstzeiten durch Plattenwechselvollautomaten die kleinteiligen Zeitungstitel in der Nachtproduktion drucken. Das hohe Qualitäts- und Leistungspotenzial  mit bis zu 50.000 vierfarbigen Zeitungen pro Stunde kann außerdem in der Tagesproduktion für hochwertige Druckprodukte mit hohen Auflagen genutzt werden. Die kompakte Achterturmrotation mit zwei Rollenwechslern, zwei H-Drucktürmen und einem Falzwerk ist auf eine maximale Papierbahnbreite von 1.400 mm und einen Zylinderumfang von 1.020 mm ausgelegt.

Die KBA Commander CL besteht aus zwei Achtertürmen für den 4/4-Druck, einem Klappenfalzapparat und zwei Rollenwechslern mit Auspackstation und Rollenbeschickung. Ein Automatisierungspaket aus automatischen Walzenschlössern, Farbwerk- und Zylinderwaschanlagen,  Fanout-, Farbmess- und Regelsystemen, Farb- und Schnittregisterregelungen und vollautomatischen Plattenwechselsystemen reduziert Rüstzeiten, Makulatur, Bedien- und Wartungsaufwand. Ein Qualitätsmanagementsystem unterstützt hohe Druckqualität. Für das Inline-Finishing sind Einrichtungen für besondere Werbeformate wie geleimtes Superpanorama und Half-Cover eingebaut.

Mit dem Start der neuen Druckmaschine ist man hoch zufrieden. Für Thomas Wenge war dies die 8. Inbetriebnahme und nie zuvor lief alles so reibungslos wie dieses Mal. Im Januar 2016 begann der Aufbau und bereits im Mai konnte die Maschine in Betrieb gehen.

Warum ist die Qualität so wichtig? 

„Wir holen den Pokal nach Deutschland“, hatte das Qualitäts-Team des Druckzentrums Aschendorff in Münster schon im Vorfeld der siebten Teilnahme am International Newspaper Color Quality Club (INCQC) selbstbewußt verkündet. Das, was den deutschen Fußballern bei der EM versagt blieb, erreichten die Münsteraner Zeitungsdrucker. 

Durch die erneute Mitgliedschaft im International Newspaper Color Quality Club im Jahr 2016 steht das Aschendorff Druckzentrum nun an der Spitze der Liste von zurzeit 36 Mitgliedern des WAN-IFRA „Star Clubs“. Bereits sieben Mal wurde das Druckzentrum Mitglied im International Newspaper Color Quality Club (INCQC). Dazu kommen drei erfolgreiche Zertifizierungen der Druckqualität durch WAN-IFRA und drei erfolgreiche Zertifizierungen durch den VDM und Fogra.

Für das Druckzentrum an der Münsteraner Hansalinie, das wie schon in den Jahren zuvor mit dem Verlags-Flaggschiff „Westfälischen Nachrichten“ ins Rennen ging, war die Herausforderung diesmal besonders groß, denn statt auf der seit vielen Jahren eingespielten Wifag-Rotation sollten schon die Drucktürme der neuen KBA Commander CL ihr Können unter Beweis stellen. Und das, obwohl das Feintuning zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war.

Eine Karikatur in der Hauszeitschrift befasst sich mit dem Erreichen der ersten Position im „Star Club“, Aschendorff INTERN, 30.9.2016Eine Karikatur in der Hauszeitschrift befasst sich mit dem Erreichen der ersten Position im „Star Club“, Aschendorff INTERN, 30.9.2016

Seit dem Jahr 2002 ist das Druckzentrum Aschendorff Mitglied im INCQC und stellt sich regelmäßig dem internationalen Vergleich. Detlef Wiedenhöft, der Ende 2016 in den Ruhestand getretene Leiter Produktionskoordination, war von Anfang an dabei, hat die Projekte „Quality Club“ und „Zertifizierung“ mehrmals geleitet. Den Anstoß für die Teilnahme am Wettbewerb gab seinerzeit Thomas Wenge, Technischer Betriebsleiter.

Das langjährige Bemühen um konstant hohe Druckqualität ist keineswegs schöner  Selbstzweck, sondern Teil der Geschäftsstrategie. „Wir machen das jeden Tag“, sagt Thomas Wenge, der sich für die industrielle Druckproduktion einsetzt. „Hier geht es nicht um schwarze Kunst, sondern um hochwertigen Zeitungsdruck. Ergebnis und Erfahrungsgewinn kommen unseren Kunden unmittelbar zugute“. Wenge spricht auch viel lieber von „Druckfabrik“ als von einer Druckerei. Es geht ihm um den industriell standardisierten hochqualitativen Produktionsprozess im Gegensatz zum handwerklichen Drucken aus vorindustrieller Vergangenheit.

Wettbewerb und Aufnahme in den International Newspaper Color Quality Club tragen dazu bei, dass die Kollegen des Druckzentrums bei der Weiterentwicklung von Standards und Druckqualität stets vorne dabei sind. „Um die Zertifizierung zu bestehen, stellen wir uns und unsere Arbeitsschritte und Prozesse immer wieder aufs Neue in Frage und nehmen neue Impulse auf“, erklärt Ralf Lünebrink, Leiter der Rotation. Das Qualitätsmanagement dient auch der Aufdeckung und Beseitigung von Schwachstellen. Durch das Denken in  Standards werden Abweichungen früh identifiziert und korrigiert.

Die Commander CL bietet automatischen Druckplattenwechsel an allen Positionen in wenigen Minuten, Foto: Silvia WerfelDie Commander CL bietet automatischen Druckplattenwechsel an allen Positionen in wenigen Minuten, Foto: Silvia Werfel

Außerdem geht es um die Motivation der Mitarbeiter, deren Interesse für Qualitätsstandards geweckt wird und die für Kundenanforderungen sensibilisiert werden. Denn letztlich steht der Kunde im Fokus. Dessen Erwartungen können auf Basis systematischer Qualitätsarbeit bestimmt und in die Produktion überführt werden. Die Kommunikation mit den Kunden wird auf der Grundlage klar definierte Qualitätskriterien objektiviert und Missverständnisse dadurch vermieden.

Der International Newspaper Color Quality Club, der seit 1994 im zweijährigen Rhythmus ausgerichtet wird, ist der einzige internationale Qualitätsdruckwettbewerb für Zeitungen. Anders als bei vielen anderen Wettbewerben kommen beim INCQC  objektive Kriterien, internationale ISO-Standards und klar definierte Methoden zum Einsatz. Ein Grund für das hohe Ansehen des Wettbewerbs unter Druckern.

Thomas Wenge zeigt technische Modelle, die Zusammenhänge anschaulich demonstrieren, Foto: Silvia WerfelThomas Wenge zeigt technische Modelle, die Zusammenhänge anschaulich demonstrieren, Foto: Silvia Werfel

Per farbmetrischer Messtechnik werden über drei Monate im Rahmen der Tagesproduktion gedruckte spezielle Testelemente (Cuboid) geprüft. Außerdem bewertet eine internationale Fachjury zusätzlich die drucktechnische Qualität der  eingereichten Zeitungen. Ein komplexes Punktesystem bestimmt am Schluss, ob die teilnehmenden Verlage und Druckereien den geforderten Standards entsprechen oder nicht.

Insgesamt wurden diesmal 128 Teilnehmer aus aller Welt gezählt. 86 Zeitungstitel, gedruckt durch 65 Verlage oder Druckereien aus 26 Ländern, wurden 2016 für zwei Jahre als Mitglieder in den INCQC aufgenommen. 

Investitionen in die Zukunft

Die Vorbereitung und Planung der Druckmaschinen-Erweiterung des Jahres 2016 war über fünf Jahre vorab vorbereitet worden. Es galt, eine Anlage zur Verfügung zu haben, die den Vorstellungen des Managements über einen industriellen und weitgehend automatisierten Druckprozess zur Herstellung hochqualitativer Zeitungsprodukte entsprach. Gleichzeitig musste das neue Produktionssystem genügend Flexibilität ermöglichen, um mehr kleinauflagige Produkte produzieren zu können. 

Mit der Integration der neuen Druckmaschine in die Produktion wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht. Aber das wirtschaftliche und technische Wachstum des Druckzentrums Aschendorff ist damit keinesfalls beendet. Bereits jetzt – kurz nach der Inbetriebnahme der neuen Druckmaschine – wird die Erweiterung von Versandraum und Druck bis zum Jahr 2020 mit den Verlegern besprochen. Die Entwicklung der „Druckfabrik“ geht weiter – mit Investitionen in die Zukunft.

Manfred Werfel, WAN-IFRA Deputy CEO

Autor

Manfred Werfel's picture

Manfred Werfel

Datum

2017-01-23 18:11

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