Die Veranstaltung, an der rund 70 Verleger und Technikverantwortliche teilnahmen, wurde auch diesmal von Werner Lauff, Medienberater und Publizist aus Düsseldorf, in bewährter Manier fachkundig moderiert. In seiner Einführung nannte er drei wesentliche Trends, die sich in praktisch allen Beiträgen in der einen oder anderen Form wiederfinden ließen: Diversifikation, Innovation und Kooperation.
Lesen Sie im folgenden die Zusammenfassungen der Vorträge.
Gelungene Trendwende in Schweden
Leif Wiklund, Managing Director, Bold Printing Group, Kista, Schweden
Probleme in der Produktion, Schwierigkeiten mit der Gewerkschaft, eine Planung, die nicht über die bevorstehende Produktion hinausging, fehlende Zahlen, Defizite im Teamwork – die Bold Printing Group war in einem lamentablen Zustand, als Leif Wiklund vor sieben Jahren die Aufgabe übernahm, die Abwärtsentwicklung zu stoppen und das Unternehmen auf den Weg zum Profit Center zu führen: „Im Vergleich mit anderen Industrien waren wir weit abgeschlagen“, sagte Wiklund. Gründe dafür sieht er in der Tatsache, dass die Zeitungen traditionell mit zu wenig Konkurrenz konfrontiert waren und zu gut verdienten. Eine zentrale Aufgabe bestand in der Senkung der Stückkosten. Um das Unternehmen wieder flott zu machen, wurde zur Messung der Leistungsfähigkeit der Anlagen die OEE-Methode eingeführt (Gesamtanlageneffektivität = Verfügbarkeit x Leistungsgrad x Qualität). Weitere Maßnahmen waren eine von Offenheit und Vertrauen geprägte intensive Kommunikation mit der Gewerkschaft, die Ausrichtung der Mitarbeiter auf Leistung und Zielvereinbarungen, die technische Modernisierung und gleichzeitig substanzielle Verkleinerung der Druckereien sowie die Etablierung des Lean Management-Gedankens. „Es wird uns kaum gelingen, mit einer Auftragsstruktur, wie wir sie haben, große Gewinne zu machen“, resümierte Wiklund nüchtern, doch habe man mit viel Überzeugungsarbeit und Engagement erreicht, Bold Printing auf einen guten Weg zu bringen. Die Trendwende ist geschafft.
Lean Production – auch für die Zeitungsproduktion
Manfred Werfel, Executive Director Competence Centre Newspaper Production, WAN-IFRA
Sind die Lean Production-Regeln, die einst in der MIT-Studie „The Machine that changed the World“ (1990) veröffentlicht wurden und „die schlanke Produktion“ nach japanischem Vorbild charakterisieren, auch auf die Zeitungsproduktion anwendbar? Nicht im vollen Umfang, sagt Manfred Werfel, denn „wir werden uns damit abfinden müssen, dass unsere Produktionen immer in kurzen Zeitfenstern ablaufen und die Ausrüstung auf die Produktionsspitzen ausgelegt sein muss“. Dennoch kann eine ganze Reihe der Prinzipien auch auf die Zeitungsproduktion angewendet werden, wie zum Beispiel die Vermeidung von Verschwendung, Teambildung, Just-in-Time, Kundenorientierung und Flexibilität trotz Automatisierung. Werfel führte eine Reihe von Beispielen aus unserer Branche an, wo die Umsetzung in bestimmten Teilbereichen gelungen ist (OZ Druck: Nachweis und anschließende Vermeidung unnötiger Warentransportwege und Just-in-Time; Newsprinter-Druckerei Broxbourne, England: Arbeitsplatzorganisation nach der 5S-Methode; Athesis, Italien: Teambildung mittels Outdoor-Training; Folha Sao Paulo, Brasilien: Kundenorientierung durch innovative Anzeigenformate; Druckzentrum Nordsee: Flexibilität trotz Automatisierung). Wenn eine Druckerei das Thema angehen will, sollte sie „dort ansetzen, wo man schnell Ergebnisse sieht. Nur so kann man ein Momentum generieren, damit der Prozess auch weitergeht“.
Im Angebot: Ein neues Rollenverständnis für die Zeitung
Prof. Dr. Heinz-Reiner Treichel, Bergische Universität, Wuppertal
„Das Internet ist in die Tasche gewandert“, sagte Prof. Dr. Heinz-Reiner Treichel, der mit den Studenten der Bergischen Universität in Wuppertal ein Konzept zur Bildung von Informationsnetzwerken entwickelt hat, die für das Mobile-Publishing genutzt werden könnten. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass eine Region eine fast unbegrenzte Fülle an Informationen zu bieten hat, die für das Angebot über mobile Endgeräte geradezu prädestiniert sind. Kulturelle Einrichtungen, Läden, Bildungseinrichtungen, Dienstleister, Restaurants – alle dürften ein starkes Interesse daran haben, potenzielle Kunden über ihre Angebote zu informieren. Niemand wäre besser geeignet, dieses Konzept in die Praxis umzusetzen, als die Zeitungen, die bereits über die Kompetenzen verfügen, um Apps und spezifische Services zu entwickeln, die IT-Dienstleistung zu erbringen und die inhaltlich-redaktionelle Ausgestaltung und Betreuung zu übernehmen. Sie könnten die Schnittstelle bilden in diesem Informationsnetzwerk und die Rolle des Providers übernehmen. Prof. Treichel nutzte diese Veranstaltung, um für diese neue Geschäftsidee zu werben und interessierte Zeitungen für eine konkrete Projektumsetzung zu gewinnen.
Automatisierung bringt Zeitgewinn für zusätzliche Aufträge
Thomas Unterberger, Technische Leitung, Herold Druck und Verlag, Österreich
Herold Druck und Verlag, dessen Wurzeln 115 Jahre zurückreichen, ist heute ein reiner Lohndruckbetrieb, der drei Tages- und 54 Wochen- bzw. Monatszeitungen produziert. Die wöchentliche Gesamtauflage liegt inzwischen bei 5,5 Millionen Zeitungen und die Produktion läuft an sieben Tagen in der Woche fast rund um die Uhr. Die Umstellung von der Uniman-Rotation aus dem Jahr 1993 auf die Colorman XXL autoprint-Maschine, die Anfang dieses Jahres installiert wurde, bedeutete für Herold technologisch einen Riesenschritt nach vorn. Die Entscheidung für die hochautomatisierte Rotation mit diversen Inline-Regelungssystemen, Quickstart und ALP-Plattenwechselrobotern, war nicht technikgetrieben, wie Thomas Unterberger betont, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen getroffen worden. Mit dem APL dauert der Plattenwechsel für die komplette Maschine mit 192 Platten nicht mehr 30 Minuten wie früher, sondern nur zwischen drei und fünf Minuten. Man halte sich aber die Option offen, je nach Produktionssituation auf den manuellen oder halbautomatischen Plattenwechsel zurückzugreifen. Um Produktionszeit zu sparen und auf manuelles Vorsortieren verzichten zu können, werden die Platten gleich in der richtigen Reihenfolge auf leistungsfähigen Belichtern (300 Platten/h) Just-in-Time produziert. Auf die höchste Ausbaustufe von APL logistics, den automatischen Transport der Platten in die Rotation, hat man bei Herold verzichtet, da man den Einspareffekt hier nicht sehe. Durch die Automation im Druck konnten die Rüstzeiten um 31% reduziert, der Personaleinsatz (in Relation zum Ausstoß) um 22% verringert und die möglichen Editionen um 75% erhöht werden. Investiert wurde auch in moderne Versandraumausrüstung und ein vollautomatisiertes Papierlager mit Hallenkran.
Den Umweltgedanken ins Blickfeld rücken
Patrick Zürcher, Betriebsleiter, Freiburger Druck GmbH & Co. KG
Angesichts der Klimakatastrophen allein in den vergangen Jahren – Überschwemmungen in Australien und Pakistan, Waldbrände rund um Moskau, Eisbergabbruch in Grönland – wird die globale Notwendigkeit der CO2-Ausstoß-Verminderung immer augenscheinlicher. „Wir sehen die Katastrophe kommen und handeln zu zaghaft“, stellte Patrick Zürcher fest. Die Kuznets-Kurve verdeutlicht, wie der persönliche Wohlstand über das Gemeinwohl gestellt wird, nach dem Motto: „Erst reich werden, und später Umweltschutz machen!“ Ein Blick auf die Situation der Druckbranche stimmte die Zuhörer nachdenklich: Nur 5 bis 10% unserer Betriebe beteiligen sich überhaupt an der CO2-Kompensation. Der CO2-Rechner des Verbandes (bvdm) werde von 200 Betrieben genutzt, die damit im Jahr 2010 insgesamt 6400 Tonnen CO2 kompensiert hätten; damit entfällt auf eine Druckerei im Mittel gerade einmal 32 Tonnen (zum Vergleich: der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß in Deutschland liegt bei ca. 11 Tonnen im Jahr). Bei über 10.000 Betrieben mit fast 160.000 Beschäftigten ergibt das einen geradezu beschämend kleinen Wert von 0,37% der Beschäftigten, die klimaneutral arbeiten. Zürcher zeigt auch, dass Entwicklungen in die richtige Richtung erkennbar sind. So arbeitet ClimatePartner mit über 350 Druckereien in 20 Ländern zusammen, von denen bis zu 30 täglich einen Druckauftrag klimaneutral stellen. „Das Thema wird Mainstream.“ Mehr getan werden müsse für die nachhaltige Image-Verbesserung der gedruckten Zeitung. Bei Freiburger Druck hat man sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt dem Umweltthema zugewandt: 1994 wurde die damals weltgrößte Photovoltaikanlage installiert, es folgte die Einführung eines Energiemanagementsystems, Wärmerückgewinnungsanlagen, eigene Blockheizkraftwerke und diverse weitere Maßnahmen, die dem Unternehmen z.B. den Umweltpreis der Stadt Freiburg eintrugen. Im Umweltkennzahlenvergleich des bvdm schneidet das Unternehmen gut ab. Zürcher: „Wir haben unsere jährlichen CO2-Emissionen um 8000 Tonnen reduziert.“
Kapazitäten ausschöpfen und optimal nutzen
Wim Maes, Director, Eco Print Center, Lokeren, Belgien
Im April 2006 wurde in Lokeren die weltweit erste wasserlos druckende Cortina-Rotation für den Zeitungsdruck installiert. Einer von vier Drucktürmen wurde für den Heatsetdruck ausgerüstet. Im selben Jahr wurden auch die ersten Schritte im Commercial-Druck unternommen, doch „ein Commercial-Produkt ist keine Zeitung, wir haben hier viel Lehrgeld bezahlt“, gab Wim Maes zu. Bei der Zeitung kommt es vor allem auf Geschwindigkeit an, die Abläufe sind starr und der Drucker ist "König". Ganz anders bei Commercials, wo die Qualität obenan steht, wo alles dienstleistungsorientiert und flexibel sein muss. Im Januar 2008 wurde die Cortina-Anlage auf 12 Drucktürme erweitert. Die personellen Einsparungen sind eklatant: Wurden früher 24 Bediener benötigt, sind es nun nur noch 12 Drucker, die nachts 22 Ausgaben von Het Laatste Niews (HLN) und eine von De Morgen (DM) mit zusammen knapp 400.000 Exemplaren drucken und tagsüber Zeit für weitere Aufträge von Fremdkunden haben. Von 2008 bis 2011 konnten die durchschnittlichen Andruckzeiten von HLN um fast eine halbe Stunde nach hinten verschoben werden, was den Redaktionen zugute kommt. Von 2006 bis 2010 wuchs das Produktionsvolumen (Tag- und Nacht-Produktion zusammen) von rund 60 Millionen Exemplaren auf über 300 Millionen und die Zahl der externen Kunden von 5 auf 65. „Ende 2011 werden wir schätzungsweise bei 80 oder 85 externen Kunden angekommen sein.“ Laut Maes gab es eine Reihe von Gründen, die halfen, diese Zahlen zu realisieren: 1) die im Wasserlos-Verfahren erreichbare Druckqualität und die Tatsache, dass Instandhaltungszeiten tagsüber nicht nötig sind; 2) ein seit Sommer tätiger Vertriebsleiter, der sich sehr engagiert um externe Kunden kümmert; 3) die integrierte Weiterverarbeitung und 4) ein neues Farbregister- und Farbdichtesystem (3TControl), das tagsüber zusätzliche Kapazität schafft, indem es „uns erlaubt mit weniger Personal mehr zu leisten“.
Von der Zeitungs- zur Akzidenzdruckerei
Matthias Tietz, Geschäftsführer, Rheinisch-Bergische Druckerei, Düsseldorf
Dass im Druckzentrum der Rheinischen Post in Düsseldorf (RBD) auch Akzidenzprodukte gedruckt werden, dürfte sich in der Branche herumgesprochen haben. Tatsächlich betrachtet Matthias Tietz sein Geschäft lieber aus der entgegengesetzten Perspektive: „Wir werden zu einer Akzidenzdruckerei, die auch Zeitung druckt.“ Die Produktpalette, von der Tietz eine Reihe von Beispielen mitgebrachte, hat sich in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet und neben Standard-Zeitungspapier werden Papiere mit Flächengewichten bis 80 g/m2 und zum Teil auch gestrichene Qualitäten verarbeitet. Der Anteil der Fremdaufträge liegt heute etwa bei 50%, Tendenz steigend. Neben diesen unregelmäßigen Aufträgen ist die RBD natürlich sehr daran interessiert, als Outplacement-Partner für Zeitungen und zeitungsähnliche Magazinprodukte aktiv zu werden. Tietz sieht noch Wachstumspotenziale im Druckmarkt und Nischenmärkte, die erschlossen werden wollen. Die Kundenakquise ist allerdings ganz wichtig: „Man muss der Erste sein, der beim Kunden anklopft. Die Zeiten der Hängematte sind vorbei“, sagte Tietz. Die Akzidenzdruck-Strategie hat der Druckerei geholfen, die Stückkosten der Rheinischen Post niedriger zu halten als das ohne diese Strategie möglich gewesen wäre.
Den Abschluss des ersten Konferenztages bildete ein Besuch der Rheinisch-Bergischen Druckerei in Düsseldorf-Heerdt.
Emotionen als starkes Verkaufsargument
Hansjörg Kunze, Vice President Marketing & Communication, AIDA Cruises, Lübeck
Kreuzfahrten werden noch häufig mit Herrschaften reiferen Alters in Abendgeraderobe und steifer Atmosphäre assoziert. Dieses Klischee abzuschütteln, gelingt AIDA Cruises immer besser, seit sie mit ihrer modernen AIDA-Flotte unterwegs ist, deren charakteristische Kussmund-Bemalung als Markenzeichnen große Bekanntheit genießt. Mit dieser neuen Generation von Schiffen wurde die Kreuzfahrt als modernes Lifestyle-Produkt geboren. Hansjörg Kunze stellte vor, wie das Unternehmen Kunden gewinnt und dauerhaft an sich bindet. „Wir lassen einen Kunden nicht mehr los“, sagte Kunze. In der Zeit nach der Buchung und vor Antritt der Reise wird er zur Vorbereitung (und Vorfreude) mit Informationen beliefert, nach der Reise erhält er dann wiederum Post von AIDA und neue Angebote, die den Weg für die nächste Buchung ebnen. Das Unternehmen wirbt auf allen verfügbaren Kanälen, auch in Social Media. Angepriesen wird nicht allein die Reise an sich und die vielfältigen attraktiven Angebote an Bord, sondern es wird vor allem versucht, das Erlebnis einer Schiffsreise, die Emotionen zu verkaufen! Daraufhin ist das gesamte Marketingkonzept ausgerichtet. Die Einweihung eines neuen Schiffes – jährlich wird der Flotte ein neues Schiff hinzugefügt – ist ein riesiger Event mit Live-Konzerten und Feuerwerk, bei dem Tausende Menschen mitfeiern (Trailer zur Taufe der AIDAsol am 9. April 2011 in Kiel auf YouTube ("Taufe der AIDAsol"). „Natürlich stehen hinter solchen Events enorme Budgets, aber es lohnt sich“, so Kunze. Was können Zeitungen davon lernen? Die Ansprache potenzieller Kunden sollte über alle Kanäle erfolgen; Markenentwicklung und Kundenbindung sind das A & O; Emotionen überzeugen oft mehr als Fakten. Ein klares Zielgruppenprofil und ein echter Kundennutzen („Content is King“) sind unabdingbar.
Mit dem Leser unterwegs
Werner De Schepper, Stv. Chefredakteur, Aargauer Zeitung, Schweiz
Mit den Mega-Events, wie sie sein Vorredner präsentierte, kann ein Zeitungsverlag natürlich nicht mithalten, doch was Werner De Schepper sich für seine Leser hat einfallen lassen, ist nicht minder beeindruckend. Ein Aspekt des kurzweiligen Vortrags von De Schepper befasste sich mit der Leser-Blattbindung. Lesernähe wird von der Redaktion der Aargauer Zeitung sehr wörtlich genommen. Nicht nur, dass Leser eingeladen werden, den großen zentralisierten Newsroom des Verlages zu besuchen, von dem aus neben der Print-Zeitung auch andere Kanäle gespeist werden. Die Journalisten suchen auch den direkten Kontakt mit den Lesern. Um das zu erleichtern, wurden Geschäftsstellen in einzelnen Dörfern des Verbreitungsgebiets eingerichtet, wobei immer diejenigen Lokalitäten innerhalb des Ortskerns gewählt wurden, wo die Neuigkeiten austauscht werden: einmal ist es die Gastwirtschaft, ein anderes Mal ein Sanitätsgeschäft… Sehr guten Anklang haben Leserwanderungen durch den Kanton gefunden, die von der Zeitung in Zusammenarbeit mit Aargau Touismus organisiert und von der ganzen Redaktion begleitet werden. Auf diesen Wanderungen, die von Mal zu Mal mehr Zulauf bekommen und heute 200 bis 300 Teilnehmer zählen, kommen die Journalisten mit den Lesern ins Gespräch, erfahren von ihren Problemen und hören interessante Geschichten, über die man auch in der Zeitung schreiben kann. Die Wanderungen sind inzwischen Kult geworden und haben viele Unterstützer gefunden, die Essen oder Getränke für die Teilnehmer sponsern, Anzeigen in der Zeitung schalten, um auf ihre Angebote hinzuweisen und dergleichen mehr. Auf diese Weise hat die gewonnene Lesernähe auch noch einen wirtschaftlich interessanten Nebeneffekt für den Verlag.
Personalentwicklung in einem dynamischen Markt
Stefan Honsberg, Personalleiter, Kodak, Osterode/Harz
Hubert Scheir, Director Strategic Marketing, Kodak, Belgien
Kodak ist ein Unternehmen mit einer 150-jährigen Tradition. „Manchmal kann das auch ein schwerer Rucksack sein, den man mit sich herumschleppt“, sagte Stefan Honsberg, der zusammen mit Hubert Scheir erläuterte, wie der technologische Wandel von analogen zu digitalen Produkten in wenigen Jahren das gesamte Geschäft von Kodak beeinflusste und das Unternehmen zwang, sich komplett umzustellen, um sein Fortbestehen zu sichern. Das bedeutete deutlich verkürzte Entwicklungszyklen, geschrumpfte Margen, verschärfter Wettbewerb, Partnerschaften mit anderen Unternehmen u.a.m. „Veränderungen im Marktumfeld bedingen meistens auch Änderungen in der Firmenkultur“, sagte Honsberg. Hubert Scheir erläuterte, was das für den Bereich Graphic Communications (Digitaldruck und digitale Vorstufe) bedeutet, in dem seit 2003 durch Übernahmen oder Joint-Ventures zahlreiche Unternehmen mit unterschiedlichsten Unternehmenskulturen zusammengefügt wurden. An dieser Stelle muss die Personalentwicklung ansetzen. Zu dem neuen „Mindset“ gehört u.a., dass die verschiedenen Bereiche sich als ein Unternehmen verstehen (kein Denken in Silos), dass Offenheit gegenüber Veränderungen bei den Mitarbeitern vorhanden ist, Kundenorientierung gepflegt und die Lean-Philosophie verinnerlicht wird. Ein wesentliches Element in der Personalentwicklung ist heute, dass die Mitarbeiter grundsätzlich für ihre persönliche Entwicklung selbst verantwortlich sind. Sie werden nicht mehr wie früher mit Schulungen „beglückt“, so Honsberg, sondern sollen selbst den ersten Schritt machen. Eine der größten Herausforderungen sieht Kodak im demographischen Wandel, d.h. in der Sicherung von zukünftigen Fach- und Führungskräften. Daher werden Nachwuchsförderung (bespielsweise über Praktika und Traineeprogramme) sowie die Darstellung des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber sehr ernst genommen.
IT-Kooperation zweier Verlage: Ein steiniger Weg zum Erfolg
Adrian Göbel, Geschäftsführer, MSP Medien Systempartner, Bremen
MSP Medien Systempartner wurde als gemeinsame IT-Gesellschaft der Nordwest-Zeitung in Oldenburg und Bremer Tageszeitungen gegründet, um Kosten zu sparen, die Effektivität zu verbessern und sich mit IT-Dienstleistungen für Dritte ein neues Geschäftsfeld zu erschließen. Die Erwartungen der Mutterhäuser an den gemeinsamen Dienstleiter waren hoch, doch die Umsetzung gestaltete sich nicht so einfach: Beide Verlage versuchten, ihre jeweiligen Interessen in den Vordergrund zu stellen; die Mitarbeiter der neuen Gesellschaft waren ihren jeweiligen früheren Häusern noch so sehr verbunden, dass sie deren Anliegen bevorzugt behandelten und das Dienstleistungsverständnis war allgemein noch unterentwickelt – das habe sich erst mit dem Eintreten neuer Mitarbeiter verbessert. Trotz mancher Widrigkeiten und vieler Kompromisse zieht Göbel nach nunmehr 10-jähriger Kooperation eine positive Bilanz: Die Zusammenarbeit zwischen IT und Verlag hat sich deutlich verbessert, die Kosten konnten merklich gesenkt und die Projektdurchführungszeiten verkürzt werden. Als größte Fehlentscheidung habe man, so Göbel, im Nachhinein die Beibehaltung von zwei Standorten erkannt. Ein einziger Standort hätte den ganzen Prozess der Integration erheblich erleichtert und der Firma viele Probleme erspart.
Expertendiskussion: Wohin entwickelt sich die Verlags-IT?
Adrian Göbel, Geschäftsführer, MSP Medien Systempartner, Bremen
Dr. Achim Bürger, Stellv. Leiter Unternehmensorganisation, Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft mbH, Düsseldorf
Heinz Jäger, Bereichsleitung Informationstechnik, Medienhaus Lensing, Dortmund
Die IT-Abteilungen, so der allgemeine Konsens, stehen unter erhöhtem Druck: Die Ressourcen werden zurückgefahren und gleichzeitig steigen die Anforderungen. Statt Treiber bei Projekten zu sein, wie früher, ist die IT heute selbst eine Getriebene. Alles dreht sich um Online, Mobile und neue Publishing-Kanäle, um CRM und Logistik. Es gibt viele Kanäle und Ideen im digitalen Bereich und die Fachbereiche kommen mit fertigen Ideen und wollen eine sofortige Umsetzung. Doch die Systeme sind zu unflexibel. Um schneller reagieren zu können, müssten die Systeme modular werden. Die IT rennt immer hinterher und „wer hinterher rennt, kann nicht vorausdenken!“ (A. Göbel) Die IT sollte sich zum Gestalter und internen Berater entwickeln; das Tagesgeschäft könnte und sollte von Dienstleistern übernommen werden. Gefordert wird ein wirklich medienneutrales Content-Management-System, das es so noch nicht gibt, und einheitliche Schnittstellen sowie Standards, die von allen Herstellern unterstützt werden. Eine andere Sorge der IT ist der Fachkräftemangel. Viele IT-Abteilungen bilden Ihre Nachwuchskräfte selber aus.
Ein Blick in die Zukunft der Medien
n Dr. Dr. Axel Zweck, Leiter, Zukünftige Technologien Consulting, VDI Technologiezentrum GmbH, Düsseldorf
„Immer mehr Lebensbereiche unserer Kultur werden virtualisiert“, sagt Dr. Axel Zweck. 2015 werden eine Milliarde Smartphones im Einsatz sein und der mobile Datenverkehr wird sich verdreißigfacht haben. Web 2.0 und soziale Netzwerke sind allgegenwärtig und beeinflussen auch die Perspektiven der Zeitung, die mit einer weiteren Zielgruppenzersplitterung und zunehmender Medienkonvergenz konfrontiert sein werden. Laut Dr. Zweck gilt es, ein Selbstverständnis zu entwickeln, das die Zeitung als Teil einer umfassenden Netzkultur erkennt.
Verschiedene Zukunftsszenarien sind denkbar: eine friedliche Koexistenz der Medien, eine Ogliopoly, der Kampf der traditionellen Medien ... Es könnte jedoch, so Zweck, auch ganz anders kommen, wenn sich beispielsweise die Nutzer verweigern, weil sie Sicherheitslücken fürchten oder keine Lust mehr haben, sich ständig etwas neues anzuschaffen. Einfachheit wird darum oberstes Gebot sein. In Zukunft kann komplexe Elektronik auf kleinstem Raum integriert werden, GPS wird in allen mobilen Endgeräten verfügbar sein, die personalisierte Zeitung oder 3D-Objekte lassen sich am heimischen Drucker produzieren und Augmented Reality-Anwendungen (wie zum Beispiel die Einblendung von Informationen in Brillengläsern) können umgesetzt werden. Das Leitbild für zukunftsgerichtete Entwicklungen ist das Ansprechen aller Sinne, die totale Illusion. Was heute noch als Science Fiction erscheint – das Verschmelzen von Mensch und Maschine – könnte morgen in Teilen schon umsetzbar sein.