Christoph Müller: „Höhere Marktanteile mit Verlusten sind im geschrumpften Rollengeschäft auf Dauer keine unternehmerische Option. KBA-Digital & Web hat sich deshalb strukturell neu aufgestellt und die Kapazitäten nachhaltig angepasst. Die Vereinigung von Offset- und Digitaldruck in der Rolle erhöht die unternehmerische Flexibilität. Die Ausgliederung der Produktion als eigenständige Geschäftseinheit reduziert Auslastungsschwankungen. KBA-Digital & Web Solutions bedient schrumpfende und wachsende Märkte. Dies ermöglicht Synergieeffekte und die Aufrechterhaltung von F&E für beide Felder, was unseren Kunden ein Stück mehr Zukunftssicherheit gibt.“ In diesem Zusammenhang verwies er auf die außergewöhnlich breite Produktpalette der KBA-Gruppe und die im Vergleich zu Mitbewerbern deutlich geringere Abhängigkeit vom stark geschrumpften Rollenoffsetmarkt. Dieses seit Jahren unter Druck stehende Segment trägt heute nur noch knapp 15 Prozent zum Konzernumsatz von ca. 1,1 Mrd. € bei.
Offset-Kompetenz hilft im High Volume-Digitaldruck
Müller betonte die im Rollenoffset- und Illustrationstiefdruck über Jahrzehnte gewachsene Kompetenz von KBA bei der Beherrschung sensibler Bedruckstoffe in großen Bahnbreiten. Diese kommt KBA-Digital & Web auch im Digitaldruck bei der Entwicklung der breitesten Inkjet-Rotationen am Weltmarkt zugute. Als Beispiele nannte der Geschäftsführer den erfolgreichen Einstieg in den digitalen Dekordruck mit den bis zu 2,25 m breiten Anlagen der KBA RotaJET VL-Reihe und die Partnerschaft mit Hewlett Packard bei der Entwicklung und Produktion der bis zu 2,80 m breiten High Volume-Rollenrotation HP T1100 Simplex Color Inkjet Web Press für den weiter wachsenden Wellpappen-Verpackungsmarkt. Der Inkjet-Gigant wird im KBA-Stammwerk in Würzburg gebaut und gerade getestet. Anfang Dezember soll die Anlage der Fachwelt vorgestellt werden.
Digital und Offset unter einem Dach
KBA-Digital & Web vertreibt, entwickelt, konstruiert, projektiert, montiert und installiert weiterhin Offsetrotationen der mittleren und höchsten Leistungs- und Automatisierungsklasse für den Akzidenzdruck (von 16 bis 80 Seiten), die Zeitungs- und Semicommercialproduktion (einfach-, doppelt- und dreifachbreit) und den High Volume-Digitaldruck mit den Baureihen RotaJET 76 und RotaJET L (89 bis 130 cm Bahnbreite) für den Bücher-, Werbe- und Publikationsdruck (darunter Magazine und Zeitungen) sowie Anlagen der RotaJET VL-Reihe (= Very Large mit bis zu 2,25 m Bahnbreite) für den Dekordruck und andere industrielle Anwendungen.
Hinzu kommen neue Geschäftsfelder und neue Partner. Darunter fällt die Kooperation mit HP bei der Digitaldruckanlage für den Wellpappenmarkt. Fertigung und Innenmontage der Rotationsanlagen sind bei den ebenfalls aus der Konzernmutter ausgegliederten und am Standort Würzburg ansässigen Schwestergesellschaften KBA-Industrial Solutions AG & Co. KG und KBA-NotaSys AG & Co. KG angesiedelt. Die erste RotaJET VL mit 168 cm Papierbahnbreite produziert seit über einem halben Jahr erfolgreich beim Dekordrucker Interprint in Arnsberg. Der renommierte Bücherproduzent Kösel in Altusried-Krugzell betreibt seit Kurzem eine RotaJET 76.
Neumaschinenmarkt bei ca. 200 Mio. € p.a.
Zu Beginn der Pressekonferenz beschrieb der langjährige KBA-Marketingdirektor und Unternehmenssprecher Klaus Schmidt die Lage am Zeitungsmarkt. Er berichtete von einem zyklischen Nachfrageverhalten mit langen, nur schwer kalkulierbaren Entscheidungszeiträumen, was die Situation für die Lieferindustrie nicht einfacher macht. Den Weltmarkt für neue Offsetanlagen (ohne Akzidenzrotationen, Retrofits und Upgrades) bezifferte er für 2014 und 2015 auf ca. 200 Mio. €, wobei 2014 fast 50 % des Marktes auf einfachbreite Anlagen der unteren Leistungsklasse entfielen und in den Industrieländern nur wenige Hightech-Anlagen bestellt wurden. Einfachmaschinen für Schwellenländer bietet KBA selbst nicht an, weshalb der in den Vorjahren deutlich über 30 % liegende Marktanteil im vergangenen Jahr vorübergehend unter 10 % fiel. Durch den Verkauf weiterer Anlagen der 2011 eingeführten Baureihe Commander CL an die Oppermann Druck- und Verlagsgesellschaft in Rodenberg und das Aschendorff Druckzentrum in Münster sowie Bestellungen einfachbreiter Comet-Rotationen aus China und dem Mittleren Osten konnte KBA im laufenden Jahr wieder die meisten Aufträge im oberen Marktsegment gewinnen. Schmidt machte allerdings deutlich, dass kurzfristige Betrachtungen bei der Ermittlung von Marktanteilen im deutlich kleiner gewordenen Neumaschinengeschäft zu falschen Schlüssen führen können. KBA habe sich sein Renommee als Technologieführer im Zeitungsdruck in den letzten 15 Jahren durch zahlreiche Basisinnovationen und entsprechende Markterfolge erarbeitet.
Technologieführer durch Basisinnovationen
Die im Jahr 2000 mit der wasserlos druckenden KBA Cortina und 2007 mit der Nassoffset-Schwester Commander CT eingeführte bedienerorientierte Kompaktbauweise, der automatische Plattenwechsel und die Einzelantriebstechnik mit ihren Vorteilen für Rüstzeiten, Druckqualität, Bedienergonomie und Wirtschaftlichkeit haben sich bei Hochleistungs-Rotationen durchgesetzt. Diese Basisinnovationen wurden von KBA auch für die 2011 neu eingeführte und mit 14 bestellten Anlagen seitdem besonders in Europa sehr erfolgreiche Commander CL mit klassischen H-Druckeinheiten übernommen. Aufgrund der unterschiedlichen Produktionsanforderungen in den einzelnen Druckhäusern sind einzelne Automatisierungsbausteine wie der automatische Plattenwechsel bei der Commander CL sogar nachrüstbar. Seit 2002 wurden bei KBA insgesamt 60 doppelt- und dreifachbreite Rotationslinien der Baureihen Cortina, Commander CT und Commander CL mit zusammen 256 Drucktürmen – davon zehn Linien mit Heißlufttrocknern – bestellt. Mit Ausnahme der letzten vier Commander CL-Aufträge sind alle Anlagen in Produktion.
Gedruckte Zeitung offensiver positionieren
Dabei machen insbesondere die 19 Cortina-Anwender immer wieder durch spektakuläre, teilweise mit Lack veredelte Druckprodukte von sich reden. Andere Kunden nutzen ebenfalls die von KBA-Digital & Web zur Nachrüstung angebotenen technischen Einrichtungen für neue Produkt- und Werbeformate. Half-Cover, Superpanorama, Zip’n’Buy, NaturalPrint auf Packpapier, SmartFlap, 12 page Double Gate und 12 page Letterfold sind einige von vielen Beispielen. In Hamburg stellte der KBA-Service Panorama-Formate für Tabloid-Produkte als weitere Neuheit mit der Empfehlung vor, außergewöhnliche Falzvarianten und Formate stärker zu nutzen, um die gedruckte Zeitung als nachhaltigen und wandlungsfähigen Werbeträger optisch noch offensiver im Medienwettbewerb zu positionieren.
Digitaler Zeitungsdruck weiter die Ausnahme
Darüber hinaus warb KBA in der Hansestadt bei den Zeitungsverlagen erneut dafür, neue Geschäftsmodelle mit dem High Volume-Inkjetdruck – ggf. auch in Kombination mit dem Offsetdruck – intensiver zu prüfen. Der Druckmaschinenhersteller, der mit der RotaJET L eine robuste und praxisorientierte Lösung für den digitalen Zeitungsdruck anbietet, sieht darin eine Möglichkeit zur Erweiterung des Print-Portfolios für eine stärkere Leser- und Kundenbindung, für die Erreichung neuer Kundenkreise sowie die stärkere Vernetzung von Print- und Online-Medien. Trotz der jüngsten Investitionen bei Mengis Druck im schweizerischen Wallis und bei KP Services (Jersey) – einem Gemeinschaftsunternehmen von Kodak und der Guiton Group auf der Kanalinsel Jersey – investiert die an hohe Auflagen gewöhnte Zeitungsindustrie aus Kostengründen weiterhin vorranging in den Offsetdruck.
Ausbau des Service-Portfolios
In einem auf niedrigem Niveau stagnierenden Neumaschinenmarkt gewinnt der Ausbau des Service-Portfolios für die Druckmaschinenbauer an Bedeutung. Christoph Müller: „Der Maschinenbestand am Markt wird älter, der Servicebedarf steigt. Viele Druckereien reduzieren ihr eigenes technisches Personal. KBA-Digital & Web hat das Serviceangebot für Eigen- und Fremdanlagen (über die Tochtergesellschaft PHS) erweitert und vermarktet den After-Sales-Service offensiver als früher. Der Serviceumsatz mit Retrofits, Reparaturen, Upgrades, Maschinenumzügen, Consulting und Training steigt kontinuierlich. Langfristige Service- und Wartungsverträge nehmen zu. Falls gefragt, liefern KBA-Digital & Web und PHS auch Sorglos-Pakete mit eigenem Personal vor Ort.“ So konnte KBA-Digital & Web wenige Tage vor der Messe einen großen Servicevertrag mit der Schweizer Tamedia AG für drei Standorte über vier Jahre abschließen.